ZACHERLFABRIK
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Die Geschichte der Fabrik

In dem ab 1888 nach einem Entwurf von Hugo Wiedenfeld von Karl Mayreder errichteten Gebäude der Zacherlfabrik befand sich ursprünglich eine Insektenpulverfabrik. „Die Fabrikanlage stellt in ihrem Phantasiereichtum ein Unikum in der Wiener Baulandschaft dar.“ (Architektur in Wien / 500 Bauten. Wien 1997, 294) Die Fabrikanlage steht inmitten eines großen Gartens mit altem Baumbestand.
Das bemerkenswerte, an eine Moschee erinnernde Äußere der Fabrik erklärt sich durch die Herkunft jener Pflanze, aus deren getrockneten Blüten das Insektenpulver „Zacherlin“ hergestellt wurde. Johann Zacherl (1814-1888), der Urgroßvater des jetzigen Eigentümers der Fabrik, hatte um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf seinen Reisen im Kaukasus beobachtet, daß die Blätter des Pyrethrums dort als sehr wirksamer Schutz gegen Ungeziefer verwendet wurden. Er schloß mit den Vorstehern der Dörfer Verträge ab, ließ die Blüten sammeln, nach Tiflis bringen und dort zu Pulver vermahlen. Das Pulver wurde in Säcke gefüllt und diese für den Transport nach Europa in Schafsleder eingenäht.
Nach einem längeren Aufenthalt in Tiflis ließ sich Johann Zacherl  in Wien nieder.
Das Unternehmen blühte auf und wurde von seinem Sohn  Johann Ev. Zacherl zu einem großen Betrieb ausgebaut. Um 1890 entstanden die noch heute erhaltenen Fabriksgebäude. „Zacherlin“ war in der gesamten Monarchie und darüber hinaus ein äußerst erfolgreiches Produkt. Die persisches Formengut zitierende Fassade zur Nußwaldgasse weist auf die wirtschaftlichen Beziehungen zum Herkunftsland des Produkts hin. Zugleich wurde der als „persisches Pulver“ angepriesenen Ware damit ein orientalisches Flair verliehen. Johann Ev. Zacherl verstand es auf diese Weise, das unscheinbare und selbst für Arme erschwingliche Pulver mit dem Zauber orientalischer Exotik zu umgeben.
Nicht nur in einer sehr erfolgreichen Vermarktungsstrategie zeigen sich Weitblick und Format dieses Mannes. Zwanzig Jahre nach Erbauung der Fabriksgebäude entstand nach einem Entwurf des damals noch unbekannten Josef Plecnik das Stadthaus an der Brandstätte. Als Bauherr nahm Johann Ev. Zacherl regen Anteil an der Gestaltung und ließ das Gebäude mit äußerster Sorgfalt und großem Aufwand ausstatten.
Fabrik und Zacherlhaus lassen die geistige Spannbreite dieser außerordentlichen Unternehmerpersönlichkeit erkennen.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie geriet das Unternehmen immer mehr in Schwierigkeiten. Zuletzt wurde die Fabrik noch zur Aufbewahrung und zum Schutz von Teppichen, Pelzen und Textilien verwendet. In den vergangenen fünfzig Jahren sind einige Teile der Gebäude leer gestanden, andere wurden von wechselnden Mietern genutzt. Die Bausubstanz ist im Wesentlichen noch original erhalten.

 

Die neue Nutzung

Eine große Halle, die den Gebäudekomplex in den umgebenden Garten hinein abschließt, war ursprünglich ein dreigeschossiges Lager für Teppiche und Pelze.
Sie steht seit langem leer. Bis auf eine kleine Fläche sind die Zwischendecken entfernt worden. Erhalten geblieben ist die tragende Konstruktion aus Gusseisensäulen und Stahlträgern. Sie gliedert das Innere des großen Raums, dessen Proportionen und Akustik von außerordentlicher Qualität sind. 2006 wurde diese Halle durch Peter Zacherl, den Eigentümer der Fabrik, für eine neue Nutzung
adaptiert.
Das Zweckfreie dieses Raumes, seine besondere Qualität und die Lage inmitten eines großen Gartens, einer grünen Insel der Stille in dicht verbautem Gebiet, schaffen ideale Bedingungen für einen Ort der Begegnung, der Ruhe, des Gesprächs. Durch die seit 2006 für diesen Ort geschaffenen Kunstwerke, durch Musikabende und andere Veranstaltungen wird diese Qualität gefördert. Mit der Zacherfabrik wird auf diese Weise ein weiterer kultureller Akzent in einem der Außenbezirke Wiens gesetzt.

 

Die Beteiligten und Mitwirkenden

Eigentümer, Organisatoren und Förderer, Künstlerinnen und Künstler, Besucherinnen und Besucher, die Teilnehmer an Konzerten, an Festen und Gesprächen: sie alle tragen auf jeweils eigene Weise zur Pflege des außergewöhnlichen Charakters der Zacherlfabrik bei.  

Besondere Bedeutung haben die Beiträge von Künstlerinnen und Künstlern.
2006 wurden Michael Kienzer, Brigitte Kowanz, Tobias Pils und Esther Stocker eingeladen, mit jeweils einer Arbeit auf den Raum zu reagieren. Ein Symposium des Forum St. Stephan befasste sich mit dem Thema „Erschließen von Wirklichkeit in Wissenschaft und Kunst“.

2007 prägte eine große Neonarbeit von Bernhard Fruehwirth den Eingangsbereich. Es gab in diesem Jahr auch drei Abende mit Musik, für deren Konzept und Realisierung Patrick Pulsinger verantwortlich war.

2008 wurde die Zusammenarbeit mit Patrick Pulsinger fortgesetzt. Auf den Innenraum und den Garten sind in diesem Jahr Ines Doujak und Martin Walde mit neuen Arbeiten eingegangen.  Die Mitgliederversammlung 2008 des Forum St. Stephan mit einem anschließenden Symposion zum Thema „Bilder machen Wirklichkeit“ sind ebenfalls besondere Veranstaltungen dieses Jahres.

2009 haben Manfred Erjautz, Bernhard Fuchs, Gabriele Rothemann
und Imogen Stidworthy Installationen und Photoarbeiten für die Halle geschaffen. Manfred Erjautz hat erstmals mit seiner Installation im alten Springbrunnen auch den Garten neu belebt.

2010 sind Arbeiten von Sepp Auer, Björn Kämmerer, Kurt Ohnsorg und Margherita Spiluttini zu sehen. Es gibt auch wieder ein Symposium des Forum St. Stephan, bei dem sich Künstler und Wissenschaftler mit dem Thema „Wie sieht Gott aus“ auseinandersetzen.

2011 haben Franz Josef Altenburg, Maria Bussmann, Werner Feiersinger und Maria Hahnenkamp mit Ihren Arbeiten der alten Halle einen neuen Zauber verliehen.
Die Abende mit Musik geben dem ganzen Unternehmen eine besondere Note und eine unglaublich dichte Atmosphäre.
Sie erfreuen sich großer Beliebtheit und sind bis auf den letzten Platz besucht.

Von großer Bedeutung für die Pflege einer gemeinsamen Verantwortung für den besonderen Charakter des Ortes sind  Möglichkeiten zur Begegnung, die hier geschaffen werden. Die Bewirtung aller Gäste an den Musikabenden ist seit 2008 eine Tradition. Seit 2009 wird eine Zusammenarbeit mit dem "Haus Miriam", einem Frauenhaus der Caritas, gepflegt.

Das Unternehmen ZACHERLFABRIK steht in Verbindung mit der Wiener Jesuitenkirche und wird von den Jesuiten Wien 1 veranstaltet. Es wird getragen von enger Zusammenarbeit der Beteiligten, des Eigentümers der Fabrik, der Künstlerinnen und Künstler, von verantwortlichen Persönlichkeiten aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Religion, von privaten Förderern.